Flieger - Hans Peter

Unfall 16. 3. 1993

DER LETZTE HUNTER – ABSTURZ
                                                                                           
                                                                                            16.März 1993
 
 Doppeltrainingskurs Fl St 7 in Ambri – Piotta. Eine Doppelpatrouille Hunter dislozierte an diesem Tag von Ambri nach Meiringen, um ein Demonstrations-Fliegerschiessen in Bière zu absolvieren.
 
Die Doppelpatrouille Hunter startete in Meiringen um 15.08 Uhr. Der Überflug und Waffenangriffe – drei Attacken mit Bomben, Kanonen und Raketen – verliefen normal.
 
Beim Rückflug verspürte Lehmann, der auf der Position des  « Uno Sohn » flog, in der Region Echallens einen Schlag und registrierte einen gleichzeitigen Leistungsabfall des Triebwerk.
 
Er scherte aus dem Verband aus und nahm Kurs Richtung Payerne. Sein Flugzeug zog eine Petrolfahne hinter sich her. Der Führer der Doppelpatrouille übernahm helfend für seinen « Sohn » die Initiative zur Vorbereitung einer Notlandung in Payerne.
 
Im verlängerten Endanflug erkannten die Piloten, dass das beschädigte Flugzeug die Piste nicht mehr erreichen konnte.
 
Lehmann steuerte sein Flugzeug weg vom Dorf Aumont in Richtung freies Gelände und löste relativ spät auf etwa 200 bis 300 Meter über Grund den Schleudersitz aus, wobei er eine bei Hunter – Schleudersitzabschüssen bekannten Brustwirbelverletzung erlitt.
 
Am Boden kam glücklicherweise niemand zu Schaden. Der Unfall war auf einen technischen Defekt in der Treibstoffzufuhr zurückzuführen.
 
 
Hier die Erinnerung an den Unfall, wie sie Bruno Lehmann im Juli 1994 notiert hat.
 
« Meyer, Lehmann, Böckli und Michel verschieben Morgen nach Meiringen! Am Vormittag gibt es ein Training in Bière und am Nachmittag gilt`s ernst.› Wir waren in Ambri im DTK, und diese Abkommandierung kam mir gelegen. Fernab vom DTK – Betrieb und den dienstbeflissenen Befehlsgebern lässt sich in der Regel besser leben.
 
In Meiringen angekommen, reicht es noch für einen kurze Befehlsausgabe. Meyer und ich flogen schon im Vorjahr die Demo, Böckli und Michel waren neu dabei.
 
Kurz vor Mittag und bei guten Wetterbedingungen erfliegen wir die Schiessvolte und bringen wie üblich unsere Übungswaffen ins Ziel. Der Schiessleiter verabschiedet sich mit einigen kurzen Bemerkungen, derweil unsere Flugzeuge Richtung Meiringen fliegen.
 
 Um 15.08 Uhr schiebe ich den Leistungshebel des Hunter J – 4043 in den Anschlag…-
Hebe ab und fliege als Uno Sohn in westlicher Richtung davon. Nach Fribourg sind wir auf der Schiessplatzfrequenz, und werden Ohrenzeugen eines gewaltigen Luftkampfes von einigen Tigern über dem Schiessplatz.
 
Nach einer Warteschlaufe über den Rochers de Naye werfen wie die Bomben aus Patrouille Kolonna, weitere Angriffe mit Kanonen und Raketen folgen, alle mit sauberen Elementen und ohne Unterschreiten der Minimalhöhe.
 
Nach dem letzten Degagement drehe ich auf Innenbahn, gebe Leistung und bin rasch wieder in Patrouille. Kurz darauf wechseln wir den Funkkanal für den Überflug.
 
Wir sind im Steigflug, und der Due meldet: ‹Campari 11›. Ich schaue auf meine Petrolanlage und stelle die gleiche Anzeige fest. – Plötzlich ein dumpfer Schlag und mit einer starken Verzögerung falle ich in die Gurten – Triebwerkausfall…!
 
Sofort betätige ich den Relight – ziehe hoch und schere nach links in Richtung Payerne aus dem Verband aus. In diesem Augenblick meldet der Due: ‹Der Uno Sohn hat eine Petrolfahne und macht Grande lili.› Ich beobachte, wie die Tourenzahl rasch unter
4000 RPM abfällt, währenddessen ich die Geschwindigkeit auf 380 km/h reduziere.
 
Der Höhenmesser zeigt mir eine Höhe von 2100 m ü. M. an. Über Funk orientiere ich den Uno über den Triebwerksausfall und meine Absicht, in Payerne eine Notlandung zu machen. Der Uno übernimmt den Funkverkehr, und ich versuche das Triebwerk wieder zu starten und suche krampfhaft die Landepiste von Payerne.
 
Endlich – vorne sehe ich die Piste, ich bin genau centerline. Im ersten Augenblick habe ich Hoffnung, die Piste im Gleitflug zu erreichen! Langsam schiebe ich den Leistungshebel wieder nach vorne – keine Reaktion! Gleichzeitig stelle ich fest, dass ich in der Landschaft versinke und es unmöglich sein wird, die Piste im Gleitflug zu erreichen.
 
Jetzt muss ich aussteigen – der Entschluss ist gefasst! Ich gebe meine Absicht über Funk bekannt, schnalle das Kniebrett los, bringe den Sitz in Position, ziehe die Gurten fest und kopple den Sauerstoffschlauch ab!
 
Mittlerweile sind über zwei Minuten verstrichen, und etwa zwei Kilometer vor mir genau in Flugachse sehe ich eine Kirche mit einigen Häusern! Ich drehe sanft etwa zehn Grad nach links, alle Steuer funktionieren einwandfrei, richte wieder auf und betätige mit beiden Händen den oberen Auslösegriff.
 
Ich höre sofort ein anderes Windgeräusch – das Kabinendach ist weg! Immer noch sitze ich bocksteif mit geschlossenen Augen im Flugzeug, die Händen oben am Griff.
Dann öffne ich die Augen und in diesem Augeblick verspüre ich eine aussergewöhnliche, ruppige Beschleunigung, sehe das Cockpit wegfahren und verspüre gleichzeitig in meinem Rücken einen Schmerz.
 
Sekundenbruchteile später schaue ich nach links, erkenne klar den Jura und den blauen Himmel, sehe den Schleudersitz wegschweben und verspüre am Oberkörper eine gleichmässige, sanfte Verzögerung und hänge Sekunden nach dem Auslösen vertikal und ohne jegliches Schaukeln am Schirm!
 
Ein Freudengefühl durchströmt mich, das aber gleich durch Angst abgelöst wird!
500 Meter vor mir und etwas höher sehe ich den stark schwanzlastigen Hunter, der sich ein letztes Mal praktisch in die Vertikale aufbäumt, eine lange Petrolfahne hinter sich herzieht und bedrohlich nach rechts gegen das Dörflein dreht, schlussendlich aber über den linken Flügel abschmiert und sich Augenblicke später in steilem Winkel in den Boden rammt, ohne dabei zu explodieren, und das nur einige hundert Meter von den nächsten Häusern entfernt.
 
Ich schwebe immer noch am Fallschirm keine hundert Meter über einem Acker, presse ich die Füssen zusammen und schlage kurz darauf auf dem festen Boden auf. Himmel und Erde wechseln sich in bunter Reihenfolge ab, ehe ich in Bauchlage liegen bleibe.
Stille…! Ich setze mich auf, ziehe Fallschirmgurte und Helm ab. Ein leises ‹sch› vernehme ich aus meinem Notpaket -, das Geräusch des Notsauerstoffes! – Stille!
 
Meine Gefühle sind zerstritten. Auf der einen Seite ein unbeschreibliches Glücksgefühl,
auf der anderen Seite die Ungewissheit, ob sich jemand in der Nähe der Absturzstelle aufgehalten hat!
 
Mein Grübeln wird unterbrochen durch den tiefliegenden Hunter des Uno. Ich stehe auf und winke mit dem Helm in der Hand, der Uno gibt Tango!
 
Ein unheimliches Gefühl – Freudentränen!
 
Der Rücken schmerzt wie schon so oft bei einem Hexenschuss! Ich setze mich wieder auf den Boden, und langsam wird mir bewusst, was sich in den letzten Minuten abgespielt hat.
Ich bin froh darüber, dass ich alleine bin!
 
Nach etwa zehn Minuten kommt vom Dorf her durch einen Feldweg ein altes, schwarzes Auto in bedächtigem Tempo gefahren – ohne Kontrollschilder. In einer Distanz von 150 Metern bleibt es stehen. Die Fahrertür öffnet sich, und eine Frau ruft mir, sich am Türrahmen haltend und mit einem Bein noch im Auto, etwas zu. Ich verstehe sie nicht, winke ihr aber zu.
 
In diesem Augenblick öffnet sich auch die Beifahrertüre. Der Wagen wankt und eine grosse, wohlgenährte Grossmutter in schwarzen Kleidern steigt aus. Jetzt laufen sie auf mich zu und hinterher noch drei kleine Kinder. Alle reden wild drauflos und das noch auf Französisch – ich verstehe kein Wort. Endlich erhalte ich die Gelegenheit zu fragen, wie das Dorf heisst. – Aumont antworten sie mir.
 
 Ich frage, ob das Flugzeug jemanden getroffen hat?
Alle reden wieder – ich verstehe kein Wort!
 
Hoffnungslos mit denen, denke ich – und die Parodie kommt mir vor
wie eine Szene aus
Fellinis Film.
 
Mittlerweile habe ich das Notpaket geöffnet und verteile den Kindern Biscuits. Als ich auch noch die Schokolade zu verteilen beginne, streckt selbst die Alte ihre Hand aus! –
Ich gebe auch ihr, und sie strahlt über das ganze Gesicht!
 
Von Südwesten her höre ich einen Heli heranfliegen, der in meiner Nähe landet und mich ins Spital Payerne überfliegt, - die Realität hat mich wieder eingeholt!
 
Ich erlitt eine Fraktur des fünften Brustwirbels,
und irgend aus einem Grund blieb das Rückenmark unverletzt!
 
Heute, nach 16 Monaten und zwei Operationen in Basel, kann ich wieder regelmässig arbeiten.»
 
 

Hunter Mk 58 J - 4043

Foto zur verfügung gestellt von Harnisch - Gallery


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Unfallbericht aus dem Buch von Peter Brotschi " Gebrochene Flügel"

Original - Foto von
www.harnisch-gallery.ch

Eine Broschüre ist erhältlich beim Autor